Dass der Zweite Weltkrieg noch immer in unseren Köpfen fest verankert ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, im Alltag jedoch vergessen wir oft, uns an die Schrecken unserer deutschen Vergangenheit zu erinnern. Um genau diesem Vergessen entgegenzuwirken, haben sich Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Osnabrück am Montag, dem 17. September 2018, in der Aula der Realschule Georgsmarienhütte zu einem Zeitzeugengespräch zusammengefunden. Das Gespräch ist im Rahmen der schulübergreifenden Arbeitsgemeinschaft „Augustaschacht“ organisiert worden, deren Ziel die aktive Auseinandersetzung junger Menschen mit der Geschichte und der Erinnerungskultur vor Ort ist.

Ehrengast an diesem Tag war Rosetta Katz, eine jüdische Frau aus den Niederlanden, die uns vom Schicksal ihrer Familie berichtete. Gespannt warteten wir darauf, mit einem einschneidenden Teil der Geschichte unseres Landes persönlich in Berührung zu kommen, als der Leiter der Gedenkstätte Augustaschacht, Dr. Michael Gander, der auch für die Organisation dieses Gespräches verantwortlich war, auf die Bühne kam und mit einer anregenden Rede in das Thema einleitete.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 nahm das Schicksal der jüdischen Bevölkerung innerhalb Europas nochmals eine drastische Wendung. Auch Familie Katz blieb davon nicht verschont. Mit wachsender Bedrohung durch den Nationalsozialismus suchte die Familie sich ein Versteck. Jedoch gestaltete sich die Suche als äußerst verzwickt, weil Rosetta zu diesem Zeitpunkt noch ein Säugling war. Da die Aufnahme von Juden strengstens verboten war, reagierten die meisten Menschen ablehnend. Die Gefahr eine Familie mit Kleinkind, das schreit und viel Nahrung braucht, versteckt zu halten, war vielen zu groß. Rosettas Eltern wollten ihre geliebte Tochter um jeden Preis in Sicherheit wissen, weshalb sie ihr Kind schweren Herzens in die Obhut eines deutschen Ehepaars mit unerfülltem Kinderwunsch gaben.

Nach einer langen Leidensgeschichte und mehreren Deportationen fand die Familie Katz im Konzentrationslager Auschwitz ihr tragisches Ende und wurde dort ermordet.
Je weiter Rosettas unbeschwerte Kindheit voranschritt, desto größer wurde der Drang der Zieheltern, ihrer „Tochter“ ihre wahre Identität zu offenbaren, um den leiblichen Eltern gerecht zu werden. Nachdem ihr Vater ihr von dem schweren Schicksal und grausamen Ende ihrer Eltern erzählt hatte, fing Rosetta an, ihre eigene Identität in Frage zu stellen: „Warum dürfen meine Eltern nicht leben, aber ich?“. Rosetta lebte weiter und hat mit der Unsicherheit und den Ängsten, die aus der Familiengeschichte hervorgingen, bis heute zu kämpfen. Die Suche nach ihrer Identität endete nie.
Nach etlichen Befragungen von Bekannten und mit der Hilfe ihres noch lebenden Onkels gelang es ihr schließlich, sich ein mehr oder weniger vollständiges Bild ihrer ermordeten Familie zu machen. Rosetta Katz begriff bald, dass sie mit dieser erdrückenden Geschichte alleine nicht weiter leben konnte. Sie musste sie weitergeben und an die Öffentlichkeit treten, um sie zu verarbeiten und um die Erinnerung an ihre Familie in Ehren zu halten. „Offenheit ist sehr wichtig im Leben“, betonte sie.

Für genau diese Offenheit danken wir Rosetta Katz, da sie uns jungen Menschen die Möglichkeit gegeben hat, einen Teil unserer deutschen Vergangenheit hautnah zu erfahren.

Text: Laura Brans, Anna Solbach (Q2)

Fotos: C. Bußmann