Ein Bericht aus dem Seminarfach “Lernen”

von Isabel Witte, Johanna Wiehe und Lukas Cruys (Q2)

Bereits im antiken Griechenland wusste man, dass es sich mit Bewegung leichter lernt. Doch warum ist das eigentlich so? Welche Auswirkungen haben körperliche Betätigungen auf die Vorgänge im Gehirn und warum kann das Lernen hierdurch begünstigt werden?

In dem folgenden Artikel wird zunächst der Begriff „Bewegtes Lernen“ definiert. Fortfahrend wird den einleitend aufgegriffenen Fragen auf den Grund gegangen.

In der Pädagogik versteht man unter dem Begriff „Lernen“ allgemein einen Prozess, der aufgrund von Erfahrungen, also dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, zu einer Verhaltensänderung führt. Das „Bewegte Lernen“ stellt nun eine Form des Lernens dar, bei dem die Bewegungen des Körpers in den Lehr-Lern-Prozess integriert werden. Konkret auf den Unterricht bezogen bedeutet dies, dass die Unterrichtsstunden so gestaltet werden, dass Bewegung in irgendeiner Form möglich ist. Dieses soll einerseits einen Ausgleich bewirken, damit sich die Schülerinnen und Schüler bei den Sitzphasen besser konzentrieren können. Andererseits besteht in der bewegten Darstellung von Lerninhalten eine weitere Möglichkeit: Durch die Verknüpfung bestimmter Lernstoffe mit gezielten Bewegungen wird das neu Erlernte intensiviert und gefestigt. Im weiteren Verlauf des Artikels erfolgt eine gesonderte Betrachtung des Aspekts der Umsetzung.

Zudem fanden Biologen der Stanford Universität heraus, dass bereits kurze Spaziergänge an der frischen Luft die Gedächtnisleistung und das Merkvermögen enorm fördern können. Es stellt sich die Frage, wie es hierzu kommt.

Bei dem normalen, unbewegten Lernprozess lösen äußerliche Reize über die Sinneszellen die Aktivierung von Synapsen, welche die Information von Nervenzelle zu Nervenzelle weiterleiten, aus. Das Gehirn speichert zwischen 80-90% der Wahrnehmungen, die gleichzeitig durch Hören, Sehen und Erleben aufgenommen werden. Wissenschaftler fanden nun heraus, dass körperliche Betätigungen eine stärkere Durchblutung des Gehirns bewirken. Schon bei einem kurzen Spaziergang kann die Durchblutung des Gehirns um etwa 20% gesteigert werden. Folglich kann das Gehirn auch besser mit Sauerstoff und Energie versorgt werden, was wiederum zu einer höheren Produktion von Endorphinen und anderen Botenstoffen, wie z.B. Serotonin, führt, der die Stimmung und damit auch die Leistungsfähigkeit steigern kann. In der nebenstehenden Abbildung[1] ist ebenfalls erkennbar, dass bereits durch einen 20 minütigen Spaziergang weitere Hirnfunktionen aktiviert werden.

Zusätzlich werden – bedingt durch regelmäßige Bewegungen – erhöht Nervenwachstumsfaktoren im Hippocampus produziert. Dieses begünstigt die Bildung neuer Nerven sowie Synapsen und trägt zu einer aktiven Vernetzung bei, wodurch ein besseres Lern- und Erinnerungsvermögen zustande kommt.

Für den Schüler konkret bedeutet das „Bewegte Lernen“ die Möglichkeit des Lernens mit allen Sinnen: Anstatt der Ansprache lediglich eines Lernkanals wird das mehrkanalige Lernen gefördert. Aufgrund der stärkeren Durchblutung des Gehirns und der besseren Vernetzung der Nervenzellen wird die Leistungsfähigkeit des Schülers gesteigert. Gleichzeitig kann auch der Abbau von Spannung und Stress erfolgen.

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass das Lernen durch Bewegung effizienter wird. Speziell bezogen auf den Schüler führt das „Bewegte Lernen“ zu einer erheblichen Steigerung des Leistungsvermögens aufgrund von höherer Konzentration und Aufmerksamkeit.

So die Theorie, doch wie sieht „Bewegtes Lernen“ tatsächlich in der Praxis aus?

Um die Wirksamkeit des „Bewegten Lernens“ konkret in der Praxis prüfen zu können, überlegten wir uns, eine Klasse in zwei gleichgroße, leistungshomogene Gruppen einzuteilen. Hierbei erwies sich eine fünfte Klasse als projektgeeignet. Während der Unterrichtsstunde unterrichteten wir die eine Hälfte mit Einfluss von Bewegung, die andere Hälfte in Form vom klassischen Frontalunterricht. Genauer gesagt erfolgte innerhalb der Stunde ein Wechsel der Lehrmethode. Damit ein aussagekräftiger Vergleich der Ergebnisse möglich war, durchliefen die zwei Gruppen jeweils die andere Lehrmethode an einem anderen Tag. Wir unterrichteten die Fachgebiete Deutsch, Englisch und Mathe. Inhaltlich orientierten wir uns bei der Thematik unserer Unterrichtseinheit am aktuellen Lehrplan der Klassenstufe fünf. Dabei thematisierten wir die Bestimmung von Zeitformen im Deutschen, das Erlernen der englischen Vokabeln sowie die Multiplikations-, Divisions-, Additions- und Subtraktionsregeln mithilfe von kleinen Bewegungsübungen. Die Lerneinheiten beendeten wir mit einem fünfminütigen Test, in dem das Gelernte abgefragt wurde.

Allgemein lässt sich in der Auswertung feststellen, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler durchschnittlich bessere Ergebnisse in der schriftlichen Überprüfung nach der bewegten Lerneinheit erzielten. Die Gesamtpunktzahl des Tests der klassischen Unterrichtseinheit unterlag dieser insgesamt mit 6,5 Prozentpunkten. Vor allem in Spielen, in denen wir die Lerninhalte konkret mit Bewegung verknüpften, stellte sich der Einfluss von körperlicher Aktivität als förderlich dar. Auffällig zeigte sich das in der Mathematiklehreinheit, in der wir Winkelformen auf die Stellung der Arme projizierten. Im Gegensatz dazu zeigte sich der Frontalunterricht im Englischen und Deutschen effektiver.

Als besonders sinn- und wirkungsvoll erachten wir eine Lerneinheit, in welcher den Schülern zunächst eine neue, ihnen noch unbekannte Thematik mittels Visualisierung an der Tafel beigebracht wird. Aufbauend darauf soll eine durch Bewegung eingeleitete Vertiefung erfolgen, sodass die neu erworbenen Kenntnisse danach direkt mit der Praxis kombiniert werden können. Hiermit wird ein Mittelweg gefunden, mit dem sich alle Lerntypen und Persönlichkeiten anfreunden können.

Dass die Vorteile überwiegen, wurde uns auch im Feedback der Kinder bestätigt. Ihnen gefielen unsere Umsetzung und auch die Gestaltung der jeweiligen Unterrichtsstunden. Etwa 85% der Schülerinnen und Schüler hat der Bewegte Unterricht deutlich besser gefallen, wobei ca. 20% dieser Gruppe anmerkten, sie hätten sich den Lerninhalt besser im klassischen Unterrichtsgeschehen merken können. Hieraus resultiert, dass 65% der Klasse der Meinung war, besser mit Bewegung lernen zu können. Vorteilig erweisen sich neben der Förderung der Merkfähigkeit die Steigerung der Freude am Lernen und das mehrkanalige Lernen über das Sehen, Hören und Ausprobieren.

Insgesamt ist der Einbezug des „Bewegten Lernens“ in das alltägliche Unterrichtsgeschehen vom Vorteil! Dies spiegelte sich sowohl in der Resonanz der Schulklasse als auch in unserer eigenen Wahrnehmung wider. Trotzdem muss beachtet werden, dass die Umsetzung zum Teil nur bedingt möglich ist, da die hohe Zeitintensivität sowie fehlende Raummöglichkeiten in der Schule hinderlich sein können.

Im Vorangegangenen wurde das „Bewegte Lernen“ an sich erklärt und Zusammenhänge auf neurobiologischer Basis erläutert. Zudem wurde ein Projekt vorgestellt, das unsere Gruppe im Rahmen des Seminarfaches „Lernen: gestern-heute-morgen“ durchgeführt hat.

Somit habt ihr jetzt genug über die Theorie und das Projekt gelesen, jetzt wollen wir zum Praktischen übergehen. „Bewegtes Lernen“ scheint in einigen Aspekten Vorteile zu bergen. Doch wie lässt sich diese Lehr- und Lernmethode überhaupt umsetzen?

Erste kleine Einblicke in die Umsetzung habt ihr schon bei der Projektvorstellung erhalten, nun soll noch auf allgemeiner Ebene betrachtet werden, wie das Ganze in den Schulalltag integriert werden kann.

Es gibt im Grunde drei Weisen, auf die man das „Bewegte Lernen“ in den Unterricht einbauen kann.

  1. Kurze Bewegungseinheiten während des Unterrichts
  2. „Nebenbeibewegungen“
  3. Lerninhalte selbst in Bewegungsabläufe umwandeln

Jetzt werden wir uns nochmal mit den einzelnen Punkten genauer beschäftigen.

Die kurzen Bewegungseinheiten lassen sich besonders vielseitig in den Unterricht einbringen: Dabei kann man zwischen Bewegungen, die zur Lösung der Aufgabe beitragen, und Bewegungen, die lediglich dem Abreagieren der Schülerinnen und Schülern dienen und somit keine direkte Verbindung zu dem Fach oder dem Lernstoff haben, unterscheiden. Letzteres lässt sich durch gemeinsame Bewegungseinheiten wie Hampelmännern, Dehnübungen oder eine „Runde auf dem Schulhof laufen“, umsetzen. Aufgabenstellungen, in denen Bewegungen enthalten sind, sind zum Beispiel Laufdiktate, Kugellagerprinzip, Partner-/Gruppenpuzzle oder verschiedene Lernspiele. Die Vorteile bei solchen Aufgaben sind, dass die Schülerinnen und Schüler spielerisch lernen und neue Inhalte selbstständig erarbeiten.

Die „Nebenbeibewegungen“ lassen sich auf verschiedene Weisen umsetzten: Einerseits kann man den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stellen, beispielsweise Sitzbälle oder Bewegungssitze. Das aktive Sitzen kann dazu beitragen, dass überschüssige Energie abgebaut wird und die Konzentration steigt. Zum Beispiel werden die nebenstehenden Bewegungssitze (HOKKI)[2] von unserer Schule für spezielle Fälle angeboten. Eine andere Möglichkeit der Umsetzung von „Nebenbeibewegungen“ bieten beispielweise Ergometer. Diese werden in einer Schule in Aschaffenburg eingesetzt, um die Bewegung im Klassenraum zu ermöglichen. Wenn dazu jedoch die finanziellen Mittel fehlen, reichen auch MINI Heimtrainer[3], welche dieselbe Funktion erfüllen. Der Vorteil hierbei liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler die Bewegung so umsetzen können, wie sie es brauchen. Intensität und Dauer variieren und folgen nicht vorgegeben Strukturen, sondern lediglich dem Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler.

Wie der dritte Punkt umgesetzt wird, hängt stark von der Lehrperson, der Bereitschaft der Schüler und dem Lernstoff, sowie auch dem Alter, also dem Anspruch des Lernstoffes, ab. Beispiele für eine eher einfache Umsetzung sind Klatschspiele und vorgegebene Bewegungsabläufe. Dabei werden zum Beispiel Vokabeln mit einer dazu passenden Bewegung verknüpft. Hierdurch werden 3 Lerntypen angesprochen: der auditive, der visuelle und der motorische. Diese Lerntypen werden noch miteinander verknüpft. Sobald der Lernstoff etwas komplexer wird, bietet sich vor allem die Methode der Action Story an. Dabei beginnt die Lehrkraft zusätzlich zum gesprochenen Lerninhalt Bewegungen durchzuführen. Diese Sätze und Bewegungen verknüpft sie nach einigen Wiederholungen mit Bildern und Nummern. Im weiteren Verlauf kann die Lehrkraft eine Nummer sagen, die Schülerinnen und Schüler machen die Bewegung vor, nennen den Satz und zeigen auf das zugehörige Bild. Diese vier Elemente können somit immer nacheinander abgefragt werden. So zum Beispiel, wenn die Lehrkraft eine Bewegung macht, müssen die Schüler sowohl den Satz und die Nummer sagen als auch das Bild zeigen. Der Vorteil im Rhythmisieren des Lernstoffes liegt darin, dass auf verschiedenen Kanälen gelernt wird und somit nahezu alle Lerntypen angesprochen werden: Der motorische Aspekt, durch die einzuprägenden Bewegungsabläufe, der visuelle Lerntypus durch die verknüpften Bilder mit den Bewegungen und den Sätzen, und nicht zuletzt auch der auditive Lerntypus durch die von der Lehrkraft und den Schülern gesprochenen Sätze beim Ausführen der passenden Bewegung. Zusätzlich erfordert die Koordination von den vier Elementen eine erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration, sodass der Stoff durch die vielen individuellen und wechselnden Wiederholungen stärker manifestiert wird.

Natürlich müssen bei all diesen Möglichkeiten der Umsetzung finanzielle und räumliche Gegebenheiten vorhanden sein. Die Auseinandersetzung mit diesen Problemen und eventuelle Lösungsansätze sollen in diesem Artikel nicht im Vordergrund stehen.

Jetzt habt ihr einen Einblick in die allgemeinen Möglichkeiten der Umsetzung erhalten. Diese sind wohlmerklich sehr vielseitig und individuell auf Klasse und Lehrer beziehungsweise den Lernstoff anwendbar. Vielmehr muss man dazu auch gar nicht wissen. Probieren geht über Studieren! Also gutes Gelingen und viel Spaß beim Ausprobieren!